Schweiz

„Oh, ein Mädli!“, die beiden Wanderer hatten auf über 3000 Metern wohl nicht mit uns Bikern gerechnet. Schon gar nicht mit einer Frau, wie es scheint. Dabei sind Bergradler im Land der Eidgenossen ein alltäglicher, und im Gegensatz zu Österreich, auch beliebter, ja sogar erwünschter Anblick.

Ein Hoch auf die Schweiz
Ein Hoch auf die Schweiz

Seit gut zwei Wochen sind wir nun mit Bus und Bike in unserem Nachbarland untwerwegs und immer wieder begeistert von der Toleranz, vor allem aber der überwältigenden Anzahl an Trails, Pässen und Gipfeln. Schier unendlich scheinen die Möglichkeiten zu sein, und das alles ganz ohne Fahrverbote und Streitereien. Ja klar, in Naherholungsgebieten sollte man nicht auf der Uferpromenade herumrollen, und wir haben auch schon von zeitlichen Sperren in manchen Regionen (zuletzt Flims) gehört, aber alles in allem haben die Schweizer erkannt, was den österreichischen Tourismusverantwortlichen anscheinend entgangen ist: Mountainbiking ist ein nicht mehr wegzuredender Wirtschaftsfaktor und macht einen großen Teil des Sommertourismus aus. Also wurden Strecken angelegt, Gondeln hieven Biker auf Dreitausender und generell ist das Befahren von Wanderwegen überall dort erlaubt, wo es nicht ausdrücklich verboten ist – und das aus gutem Grund. In drei Wochen haben wir so nur zwei Fahrverbotsschilder zu sehen bekommen! In Österreich undenkbar.

In den letzten Jahren sind wir auf Alpenüberquerungen immer wieder durch die Schweiz gekommen und nun endlich ergibt sich die Möglichkeit, zumindest einen Teil dieses Paradieses in einem echten Urlaub auszukosten. Wir sind auf dem Piz Nair hoch über St. Moritz, der Trail ist schmal und nicht gerade leicht. Und da ist wieder eines. Eines dieser roten Schilder, die die Trails als offizielle Bike-Strecke kennzeichnen. Die Schweizer haben’s echt raus. Genau das wollen Biker! Ein Wegenetz in allen Schwierigkeitsgraden, für Familien, Tourenfahrer und Enduristen. Weiteres Detail: wenn die Schweizer einen Trail als „schwer“ titulieren, dann ist das Teil auch „schwer“ – Wort drauf.

Nach dem Uplift entspannt ins Tal
Nach dem Uplift entspannt ins Tal

Ein paar Tage später, wir kurbeln von Davos in Richtung Flüelapass. Nicht aber auf der Asphaltstrasse, nein parallel verläuft ein Wanderweg, der flüssig auch bergauf gefahren werden kann. Bald biegen wir links ab. Unser Ziel ist die Bergstation der Pischabahn. Es wird richtig steil, aber man sieht eindeutig, dass an dem sich bergauf schlängelnden Weg Hand angelegt wurde. Zu glatt ist der Untergrund, zu ideal der Radius der Kehren. Mit ein bisschen Kondition ein Traum für technisch versierte Fahrer. Und was uns nach der Jausenpause bergab erwartet, kann man kaum in Worte fassen. Trail, Panorama, Wetter, ein einsamer Adler, einfach unglaublich. Und unterwegs: eine Scheibtruhe, eine Schaufel und Spitzhacke. So werden auch die Spuren einer langen Sommersaison wieder beseitigt und es gibt ein Miteinander von Biker und Natur. Außerdem Ferialjobs für Studenten oder einheimische Pensionisten, und das alles bezahlt vom Tourismusverband. In drei Wochen hören wir kein einziges negatives Wort von Wanderern oder Arbeitern.

Hoch über Zermatt

Im Hinterland von Zermatt biegen wir falsch ab, kommen auf einen erdigen Weg, der eindeutig gerade saniert wird. Neue Wasserrinnen, weicher Untergrund – und dann wir. Die Reifen graben sich in die noch feuchte Erde. Wir bleiben stehen und wollen gerade einen Blick auf die Karte werfen, als plötzlich ein Mann aus dem Nebel auftaucht. Eine Reinkarnation des Almöhi aus den Heidi-Geschichten, in der Rechten eine Spitzhacke. Meine Muskeln spannen sich an, verdammt, das gibt ein Donnerwetter! Als er langsam auf uns zu kommt, ziehen sich die Mundwinkel in dem faltigen Gesicht nach oben, und er ruft uns zu: „Radeln, nicht schieben!“. Und dann erklärt er uns den Weg nach Hause…