Georgien

Es sind drei. Und sie sehen sehr ungemütlich aus. Sie fletschen die Zähne, bellen und der Anführer schnappt immer wieder in Richtung meines Beins. Warum musste ich auch unbedingt alleine voraus fahren um Fotos zu schießen? In der Gruppe wäre es sicherer und Guide Sandro wüsste, wie man diese Hirtenhunde vertreibt. Also brülle ich die drei an, trete ab und zu nach ihnen und irgendwann lassen sie von mir ab. Der Trail ist zum Glück flach und sehr leicht zu fahren; ein Sturz wäre wahrscheinlich von einer richtigen Attacke der Hunde begleitet worden. Wir sollten aber im Laufe der Woche noch lernen, wie man mit den tierischen Schafhirten umgeht.

Aber wie um alles in der Welt kommt man nach Georgien zum Radfahren? In meinem Fall war es ein glücklicher Zufall. Rene, seines Zeichens Chef des MTB Reiseveranstalters Bikefex, hatte mich gefragt, ob ich kurzfristig für einen verletzten Guide einspringen wolle. Und da sowieso gerade Ferien waren und ich einer Auszeit ganz und gar nicht abgeneigt war, sagte ich kurzer Hand zu. Und so sitze ich ein paar Tage später als „Reisebegleiter“ im 36 Grad heißen Tiflis und wir warten auf das Shuttle zu unserer ersten Tour. Das Abenteuer Georgien kann beginnen.

Die Bike-Community in Tiflis hat mit den Hügeln rund um die Stadt einen kleinen Schatz an Möglichkeiten, obwohl mir Sandro erzählt, dass der Bedarf nach Trails aufgrund der wenigen Biker überschaubar ist. Zwei dieser „City Trails“ wollen wir uns heute mit unserer fünfköpfigen Gruppe ansehen. Eine gute Möglichkeit auch für uns Guides, das Können und die Ausdauer der Teilnehmer abzuschätzen – die nächsten Tage sollen anstrengend werden. Und so rollen wir uns locker auf Jeep Tracks ein, halten zum Lunch an einem kleinen See und pedallieren hoch zum nächsten Trail, der uns auf schmalen Serpentinen wieder hinunter in die Stadt führt. Zum Abschluss gibt’s noch ein paar enge Gassen und Stiegenabfahrten als i-Tüpfelchen. Unten warten schon unsere zwei Begleitfahrzeuge, und ein großer Vorrat an Wasser und Snacks – ein Service, der uns auch in den kommenden Tagen den Trailalltag versüßen wird.

Nun aber endlich in die Berge! Nach einem Transfer und einer Nacht in Telawi, geht es am nächsten Morgen über den Abano Pass, eine der gefährlichsten Passstraßen der Welt, rein in den Nationalpark Tuschetien. Und dann heißt es endlich biken – oder so ähnlich. Wir sollten nämlich noch lernen, dass (ähnlich wie in anderen Ländern die ich mit dem Bike bereist habe) die Forstwirtschaft und somit angenehm zu tretende Forststraßen im Bergland eine untergeordnete Rolle spielen. Zwar führt zu fast jedem Dorf eine 4×4 taugliche Straße und es gibt im hintersten Winkel WLAN, um unsere Abfahrten zu erreichen, kommen wir aber den Großteil der Woche nicht um Schieben oder Tragen herum. Ein Umstand mit dem die Teilnehmer wirklich gut klar kommen; man merkt, dass alle schon einige Jahre an Bikeerfahrung auf dem Buckel haben.

Der erste Trail im Tuscheti Nationalpark ist ein Musterbeispiel an Vielseitigkeit. Oben flowig, entspannt – bis auf die Hunde 😉 – über Wiesen, biegt er nach der Hälfte in eine waldige Sektion ein, die jedem Endurorennen Ehre machen würde. Um dem Ganzen noch die Krone aufzsetzen, endet dieser Tag direkt an einem Fluß, der zum Baden geradezu einlädt. Wir beschließen den Tag in einer der urigsten Unterkünfte die ich jemals gesehen habe.

Auch die nächsten Tage sollen persönliche Highlights an alpinem Mountainbiking werden: schweißtreibende Aufstige, meist zu Fuß. Weitblicke bis an die 4000er der russischen Grenze und Abfahrten die sich anfühlen, als wären sie anstatt für Packpferde für Mountainbikes gebaut worden. Hinzu kommen abgelegene Dörfer mit gemütlichen Gasthäusern, mehr als reichhaltiges Essen und Gastgeber, die uns jeden Wunsch von den Augen ablesen. Man muss sich nur auf das Radfahren konzentrieren, sonst nichts. Überhaupt bin ich begeistert von der Gastfreundschaft und Hilfsbereitschaft der Georgier. Die nette Gruppe mit der ich unterwegs bin, tut ein Übriges zum Wohlfühl-Charakter dieser „Arbeitswoche“, und so fühle ich mich viel mehr wie ein Teil der Gruppe als ein außenstehender „Reisebegleiter“. Madloba!

Text und Fotos: Daniel Oberauner