TransSlovenia 2.0

Die kleine Hütte ist zum Bersten gefüllt, Gelächter erfüllt den einzigen Raum, die riesigen Portionen Gulasch in den Tellern vor uns erscheinen einigen als unüberwindbares Hindernis und Suzy bringt gerade die nächste Runde Laško. Die junge Hüttenwirtin hat selten Biker zu Besuch, geschweige denn eine elfköpfige Runde. Nichtsdestotrotz schmeißt sie routiniert den Laden, bedient Küche, Ofen und Bierkisten gleichzeitig und hat zwischendurch noch Zeit für eine Rauchpause. Als wir am späten Nachmittag müde, hungrig und verdreckt bei ihr angekommen waren, hatte sie noch etwas skeptisch dreingeschaut. „Eleven men and one woman, …great.“ war der knappe Kommentar. Okay, ich hätte sie besser vorbereiten sollen als ich im Frühling ihre Hütte entdeckt und gleich für unsere Slowenien-Durchquerung reserviert hatte, aber wir sind ja eine pflegeleichte Gruppe und die Motocross fahrende, modelnde Suzy haut so schnell sowieso nichts um.

 

Hütte all-inclusive
Hütte all-inclusive

Überhaupt ist bei unserer diesjährigen Tour einiges anders. Insgesamt sechs statt fünf Tage sind wir unterwegs, die Etappen sind etwas länger und es hat uns weiter nach Osten verschlagen. Hauptsächlich wegen der unberührten Natur und der neuen Eindrücke, aber natürlich auch um den Trailanteil zu maximieren. In Sloweniens Süd-Osten hat sich eine kleine aber feine Bike-Community gebildet und man findet das ein oder andere Trailjuwel, an das eindeutig fachkundig Hand angelegt wurde. Ein Genuss also für Biker mit mittlerer Kondition und guter Bikebeherrschung. Allerdings sind die Trailabfahrten nicht Pflicht, sondern eher Kür, da wir für jede Abfahrt auch eine leichtere Variante vorfinden.

Soca
Man-made Trails in unglaublichem grün

Genauso vielfältig wie die Etappen, die Unterkünfte und die kulinarischen Highlights ist auch unsere Gruppe. Vom knapp über 20-jährigen Bike-Einsteiger bis hin zum Veteranen der schon an den 70 Lenzen kratzt ist alles vertreten. Was auf den ersten Blick sehr inhomogen anmutet ist bei genauerer Betrachtung ein Pluspunkt für alle. Die jungen Endurofahrer sind bergab auf den Trails in ihrem Element, während die Genussfraktion sich am Panorama und den angenehm steigenden Militärstrassen labt, während wieder andere einfach das Gesamtpaket auf sich wirken lassen.

 

Ganz wie in Finale
Ganz wie in Finale

Aus allen Ecken Österreichs waren sie am Starttag nach Finkenstein am Faakersee angereist – viele aus Kärnten, aber auch Markus aus Tirol oder die beiden Wolfgangs aus Oberösterreich, deren Projekt es ist, alle fahrbaren Grenzlinien des ersten Weltkrieges mit dem Bike zu erkunden. Nach unserer Tour fehlen ihnen nur mehr zwei Gebiete. Dass wir uns in ehemaligem Kriegsgebiet befinden ist an den ersten drei Tagen unserer Tour allgegenwärtig: Bunkeranlagen, Soldatenfriedhöfe, Gedenktafeln und Strassen, die aufgrund von Steigung und Pflasterung eindeutig militärischen Ursprungs sind. Wolfgang entpuppt sich nebenbei als wandelndes Geschichtsbuch, weiß zu jedem Ort etwas zu erzählen und nimmt mir als Guide so einiges an Unterhaltungsarbeit ab. Perfekt auch das Jahr unserer Tour. 2014, genau 100 Jahre nach Kriegsbeginn.

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Geschichte bei jeder Kurbelumdrehung

Jetzt müssen wir aber unseren eigenen Kampf gewinnen. Wir stehen bibbernd vor Kälte am Gipfel eines alten Bekannten, des Stol. Seit den frühen Morgenstunden regnet es, wir sind schon fünf Stunden unterwegs, zwei weitere sollen es noch werden. Unterwegs haben wir eine Zeit lang bei Suppe und Kava in einem Gasthaus gewartet, in der Hoffnung der Himmel habe ein Einsehen mit uns. Aber vergebens. Durchgeweicht, die Finger klamm, der Atem gefrierend entscheiden wir uns die grobe Forststrasse in Richtung Süden zu nehmen. Keiner der drei Trails ins Tal wäre bei dieser Witterung sinnvoll und als Gruppe zu verantworten. Unser einziger Lichtblick ist das hervorragende Essen und der Trockenraum der bei Bogdan in Kobarid auf uns wartet.

Immer die Grenze entlang
Immer die Grenze entlang

Wie vielfältig Slowenien ist, zeigt sich bereits am nächsten Tag. Es duftet nach Pinien, beinahe wie am Meer. Der gebaute Trail schlängelt sich in Anliegern den Hang hinunter. Da und dort der gelegentliche Drop, alles feinst manikürt. Ein Teil unserer Gruppe hat die leichtere Abfahrt gewählt. Meiner Meinung nach ja ein eindeutiger Fehler, aber wenn man sich schon den Luxus von zwei Guides leisten kann, soll jeder genau das bekommen was er sich wünscht. Nur noch ein 700 Höhenmeter Anstieg trennt uns von unserem nächsten Quartier, mit Option auf Gipfelsieg für die Nimmersatten. Ein weiteres Novum der diesjährigen Reise ans Meer: Mehrmals übernachten wir auf Hütten, Almen oder Bauernhöfen. Ob es im Gasthof auf knapp 1000 Metern Seehöhe so lustig wird wie in Suzys Hütte? Vielleicht, aber gemütlicher kann es eigentlich nicht mehr werden.

Eat, sleep, ride
Eat, sleep, ride